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Michael Kammermeier gehört eigentlich zu den innovativen Köchen der Republik, doch in einem Restaurant, das nun schon über 30 Jahre mit einem Michelin-Stern ausgezeichnet wird, sucht der Gast keine Experimente, sondern wählt lieber das Bewährte. Wie etwa jene Ente, für die bereits Hans-Peter Wodarz viel Applaus erntete und die auch heute noch so gut wie damals auf den Tisch kommt. Da muss sich ein junger Küchenchef schon gewaltig strecken, um beide Pole auf einer Karte zu vereinen, und diese Aufgabe meistert Kammermeier jeden Abend aufs Neue virtuos und in einer Qualität, die schon längst den zweiten Stern verdient hätte.
Von Winkler ...
Geboren wurde Kammermeier 1978 im schönen Bad Wörishofen. Die Mutter Gärtnerin, der Vater Metzger und die Zukunft somit in die Wiege gelegt. Während der große Bruder am Wochenende in der Metzgerei aushelfen und kassieren musste, war Michael für die Hausarbeit zuständig – insbesondere fürs Backen. Aus dem eigenen Garten kamen nicht nur Blumen, sondern alles, was die Natur einem neugierigen Jungkoch zur Hand geben kann und natürlich waren die hauseigenen Fleischprodukte auch nicht von schlechten Eltern. Nach dem Schulabschluss ging es denn auch gleich in die Lehre: In Neubrand’s Stüble lernte Kammermeier die solide Kunst der gutbürgerlichen Küche kennen und lieben, von der Gourmetküche hörte er jedoch erst ein paar Jahre später – beim Bund. Hier erzählte ihm ein guter Bekannter in bunten, teilweise grellen Farben von der Arbeit in der Küche von Heinz Winkler, und was Kammermeier zunächst für Aufschneiderei hielt, war tatsächlich wahr: „Ich dachte bei mir, was für ein Schwätzer, aber er hat eher noch untertrieben!“ Kammermeier wurde vom Fleck weg als Commis eingestellt und war kurz darauf bereits als Chef Gardemanger tätig. Hier wurde fast rund um die Uhr rangeklotzt –„Das kannst Du nur machen, wenn Du noch jung bist“ – doch nach einiger Zeit wurde es dem jungen Kammermeier dennoch langweilig. Die Küche von Heinz Winkler basiert auf klassischen Rezepten, verändert wurde nur wenig und kam ein neues Gericht mal nicht sofort bei den Gästen an, so wurde es sofort von der Karte genommen. So zog es den neugierigen Jungkoch weiter, und zwar genau auf die andere Seite, wo das Experimentieren auf der Tagesordnung stand und die Stimmung in der Küche eher einem Rockkonzert glich.
... zu Marquard
Stefan Marquard kochte damals im Meersburger Restaurant Drei Stuben und war noch kein bekannter Fernsehkoch. Pirat im Geiste aber schon, und so tauchte Kammermeier zunächst als Entremetier und später als Saucier tief in eine Welt ein, in der das Küchenteam eine echte Mannschaft ist, mit der man auch die komplette Freizeit verbringt, die alte kulinarische Zöpfe abschnitt und der deutschen Gastronomie wertvolle Impulse gab – nicht zuletzt beim Dresscode, denn mit Kopftuch und Kinnbart setzte Marquard auch hier schon früh Akzente, die eine ganze Generation von Köchen beeinflusst hat. Der „Maitre“ war out, der Küchenchef nun eher ein Freund, der dem Gast die faszinierende Palette des Genusses näherbringt und dabei auch mal über die Stränge schlagen darf. Ein echter Kumpel eben. Mit dem Wechsel von Marquard vom beschaulichen Meersburg ins elegante Münchner Lenbach war die wilde Zeit jedoch vorbei. Das Team, eigentlich als Geburtstagsgeschenk für den Küchenchef geschlossen mit in die bayrische Landeshauptstadt gewechselt, zerfiel, die Neuzugänge passten nicht mehr dazu und so ging auch Michael Kammermeier. Und zwar wiederum in eine Landeshauptstadt, diesmal die Hessische. Im Restaurant Ente wurde er zunächst Souschef von Gerd Eis, und als dieser seiner Wege ging, entschied sich das Management des Nassauer Hofs dafür, anstelle eines neuen Starkochs den jungen Kammermeier zum Küchenchef zu machen.
Zwei Seiten der Medaille
Gemeinsam mit Klaus Meier setzte er zunächst die asiatisch beeinflusste Küche von Eis fort, doch die war zu dieser Zeit bereits nicht mehr sonderlich in Mode, und so entschloss sich Kammermeier, sämtliche asiatischen Zutaten aus dem Lager zu räumen, um jede Gefahr eines Rückfalls zu bannen und in Zukunft klassische Küche mit eben jenem innovativen Einschlag zu kochen, den er von Marquard mitgebracht hatte. So blieben zwar ein paar Gäste weg, doch weitaus mehr kamen wieder, die sich mit dem Einsetzen der Asia-Mode von der Ente verabschiedet hatten. Wie alles, so hatte auch diese Entscheidung zwei Seiten. Die Ente kann sich seitdem nicht über einen Mangel an Stammgästen beklagen und gemeinsam mit dem heutigen Küchenchef der Genusakademie Daniel Schmitt begann Kammermeier auch mit der allmählichen Veränderung von Rezepten in Richtung einer frischen, innovativen Küche – was angesichts eines Publikums, das sich immer wieder über die großen Klassiker freut, keine leichte Aufgabe ist.
Lachs vs. Forelle
So stehen wir gemeinsam am Ufer der Forellenzucht Seitz im Wispertal inmitten ursprünglicher Natur und Kammermeier entfährt der Satz „Es wäre so schön, wenn die Gäste nicht immer nur Steinbutt, sondern mehr Forelle oder Lachsforelle von hier bestellen würden. Das sind so wunderbare Produkte, aber ich verstehe auch, wenn einer sein Lieblingsgericht immer wieder bestellt.“ Währenddessen steht Siegbert Seitz am Teich und entrollt gemeinsam mit seinem Sohn Tobias ein großes Netz, um den Teich abzufischen, denn rechtzeitig vor Weihnachten müssen noch zahlreiche Fische in die Räucherkammer, in der direkt neben der Zuchtanlage innerhalb weniger Stunden aus fangfrischen Tieren Räucherforellen werden. Das Wasser in den Naturteichen stammt direkt aus der Wisper, einem kleinen Bach, der seine Reinheit der Tatsache verdankt, dass es entlang des Bachlaufs keinerlei Industrie oder Landwirtschaft gibt. Nur Kühe weiden entspannt auf dem schmalen Wiesenstreifen, der den Talboden bedeckt. „Nachts ist es hier wie auf Safari“, erläutert Siegbert Seitz, „da können Sie bis zu 60 Wildschweine und 30 Hirsche auf einer Wiese sehen!“ Wie um diese Aussage zu unterstreichen, haben Wildschweine in der letzten Nacht den kompletten Eingangsbereich der Fischzucht umgepflügt – eine einzige Kraterlandschaft. „Ich baue jetzt einen Zaun um das Gelände, damit wir hier mal Ruhe haben“.
Vom Schreibtisch an die Teiche
Eigentlich war der gelernte Volkswirt und Unternehmensberater gemeinsam mit seiner Frau Ute auf der Suche nach einem Alterssitz in Österreich, doch als dem passionierten Fliegenfischer die wunderschöne Laukenmühle im Wispertal inklusive Forellenzuchtanlage zu einem Preis angeboten wurde, der die Sanierung von maroden Gebäuden und Anlagen zuließ, konnte er einfach nicht nein sagen. Zunächst hielt man Forellen für den eigenen Bedarf, dann fragten die Kinder, ob man nicht mal eins, zwei Forellen räuchern könne, die Teiche füllten sich und so kam, was kommen musste. Nun übernimmt Tobias Seitz das Unternehmen und der Begriff Wisperforelle steht für einzigartige Qualität und naturnahe Zucht, wie man sie nur noch ganz selten vorfindet. “Heute würde man eine solche Anlage in einem Naturschutzgebiet nie und nimmer genehmigt bekommen, doch diese besteht seit 1920 und wir betreiben sie absolut nachhaltig.“ Wie auch den vor ein paar Jahren hinzu gekauften Forellenhof Flach, wo nun stromabwärts auch erstmals Saiblinge gezüchtet werden. Alle Fische verbringen hier vor dem Schlachten drei Tage in einem sauberen Becken und bekommen keine Nahrung, so dass dezent modriger Geschmack, der eventuell durch die Tatsache auftreten könnte, dass die Tiere in einer Naturteichanlage leben, komplett verschwindet. Dann werden die Tiere von Hand gewogen, mit präzisem Schlag auf den Kopf in den Forellenhimmel befördert und dann entweder in die Räucherkammer gebracht oder direkt frisch verkauft.
In der Region zuhause
Fast 50\% der hier großgezogenen Fische landen in den Küchen der regionalen Gastronomie, von der Straußenwirtschaft bis zum Sternekoch Kammermeier, der Rest wird im kleinen Hofladen der Laukenmühle oder direkt an der Anlage frisch oder geräuchert verkauft. Die Kunden nehmen oft weite Wege in Kauf, um die Fische am heimischen Herd zubereiten zu können. Kein Wunder, denn das Tal der Wisper bietet ideale Voraussetzungen für die Fischzucht und auch der Bach selbst ist voller Tiere. Hier laicht seit über 10 Jahren sogar wieder der Atlantiklachs. Die Tiere sterben nach der Eiablage vor Erschöpfung, doch man findet keine toten Exemplare. „Da sind Fuchs und Wildschwein viel schneller. Die holen sich auch öfters ihren Anteil aus den Fischteichen – und die Waschbären setzen sich sogar zum Fischfang ins Wasser!“ Das Wildschweinproblem will Familie Seitz übrigens genießerfreundlich regeln. Demnächst soll es auch Wildfleisch im Hofladen geben. Ja, das Wispertal ist eine wilde Gegend, die gut zum „jungen Wilden“ Kammermeier passt. Wo dessen Zukunft liegt? „Wir haben wirklich viel Spaß in der Ente und ich fühle mich hier rundum wohl.“ Schön, doch was kommt irgendwann später? „Was völlig anderes!“ Das haben wir uns gedacht.
Forellenhof Seitz
Im Wispertal 2, 65391 Lorch
Tel. 06775-371, www.wisperforelle.de
Öffnungszeiten Di-Fr 11-18, auch Sa, So und Feiertage
Forellenhof Flach
Schwalbacher Straße 74 (Achtung, etwa 4km außerhalb von Lorch)
Tel. 06726-586, Öffnungszeiten Mo-Fr 9-13 und 14.30-17 Uhr Sa von März bis Oktober 9-13 Uhr
Restaurant Ente
Kaiser-Friedrich-Platz 3-4, 65183 Wiesbaden
Öffnungszeiten Di-Fr 18-22.30, Sa 12-15 und 18-22.30 Uhr