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Man könnte angesichts des Charakterkopfes Helbig durchaus einen lyrischen Zusammenhang zu seinem Geburtsort erdichten. Schließlich ist Elspe im Sauerland Spielort der beliebten Karl-May-Festspiele und Helbigs so anregende wie fantasievolle Gewürzküche versetzt den ein- oder anderen schon mal zumindest am Gaumen in fremde Länder, doch seine Ausbildung genoss der junge Ludger ganz bodenständig bei Hans Buckmann in Oedingen. Kein Zuckerschlecken, doch nachdem er den Schlemmeratlas aus dem elterlichen Regal gezogen hatte, war klar, dass sein Leben nach der Schule a) an einem Herd und b) bitteschön in der gehobenen Gastronomie stattzufinden habe. Gesagt, getan: Ungezählte Bewerbungen an große Häuser wurden verfasst, die Zukunft in rosigen Farben gemalt – aber in leichter Abwandlung einer Zeile aus dem Schaffen eines bekannten deutschen Sängers lässt sich zitieren: Kein Schwein rief ihn an. Andere lassen hier bereits den Kopf hängen, doch Helbig nahm sein Herz in die Hand und wendete sich auf dem Rückweg von einem erfolglosen Vorstellungsgespräch direkt an Ingo Holland im Klingenberger Winzerstübchen. Glück gehabt, und das gleich mehrfach: Holland erkannte sofort, welches Potential in diesem jungen Nachwuchskoch schlummerte, bot ihm die Stelle als Commis an, die Helbig natürlich sofort annahm und zudem erwartete Helbig hier ein weiterer, vielleicht entscheidender Baustein zu seinem Lebensglück – seine Frau Nicole, mit der er bis heute gemeinsam lebt und arbeitet.
Reisejahre
Doch ein Koch muss auf Reisen gehen, in Helbigs Fall steil nach oben zu Hans Stefan Steinheuer nach Bad Neuenahr, wo er als Chef Patissier für die süßen Träume der Gäste zuständig war. Anschließend ging es in den Süden der Republik: Im Münchner Hotel Königshof stand er bereits als Sous Chef am Herd, weiter ging es dann zu Christian Jürgens in den Marstall und dann nach Pfronten ins Alpenhotel Krone. Doch der Kontakt zu „Gewürzpapst“ Ingo Holland brach nie ab und so rief das Alte Rentamt Helbig ein zweites Mal – diesmal allerdings als Sous Chef. Während dieser Zeit lernte er nicht nur zahlreiche aromatische Geheimnisse – schließlich gilt Ingo Holland nicht umsonst als absolute Kapazität in Sachen Gewürze und gehört mit seinem florierenden „Gewürzamt“ zu den interessantesten deutschen Einkaufsadressen – sondern entwickelte zusehends seinen eigenen Stil, den er anschließend im Lauterbacher Ringhotel Schubert behutsam weiterentwickelte und schließlich nach der Übernahme des Alten Rentamts konkret auf den Punkt brachte. Lohn war der unverzüglich bestätigte Michelin-Stern, Platz eins in regionalen Liste von RHEIN-MAIN GEHT AUS!, zahlreiche weitere Auszeichnungen bekannter Restaurantführer und natürlich eine begeisterte Gästeschar, die sich glücklich schätzen konnte, das Werk von Ingo Holland nicht nur fortgesetzt, sondern auf solch elegante Art und Weise weiterentwickelt zu finden.
Auf den Berg
Gäste sind immer ein Segen – manchmal können sie sogar die Richtung fest geplanter Lebenswege schlagartig ändern. Als Helbig gerade mit dem Gedanken spielte, sich noch fester mit dem Alten Rentamt zu verbinden, trat ein solcher auf den Plan. Sein Name: De Temple. Sein Plan: ein kleines Boutiquehotel mit hervorragendem Restaurant und viel Platz für Kunst und Künstler im kleinen Ort Johannesberg oberhalb von Aschaffenburg. Hier stand zuvor mit Friedel Meier über 30 Jahre lang ein echter Individualist am Herd, der im Jahr 2012 jedoch allmählich daran denken musste, in Ruhestand zu gehen. De Temple war sein Stammgast und fand im romantischen Anwesen den idealen Platz, um seinen Traum zu verwirklichen. Als weitgereister Inhaber einer weltweit agierenden Firma hatte de Temple bis dahin vermutlich mehr Zeit in Hotelzimmern als in seinen eigenen vier Wänden verbracht und somit eine ganz konkrete Vorstellung vom idealen Hotel. Dazu gehörte selbstverständlich ein entsprechend ambitioniertes Restaurant. Ohne viel Schnickschnack, aber mit jenem kulturellen Atem, der perfekten Genuss ermöglicht. Während Meier also dazu überging, nur noch ab und an in den Küchen seiner Gäste zu kochen, ging es im ehemaligen Hotel zur Sonne hoch her. Das komplette Haus wurde quasi auf den Kopf gestellt, eine neue, geräumige Küche installiert, der frühere Restaurantbereich zum „Gasthaus“ und die weiter nach hinten liegenden Zimmer zum Fine Dining-Restaurant ausgebaut. Parallel ging es an die Zimmer, jedes in einer anderen Farbe, mit geräumigem Bad und eines sogar mit eigener Sauna. Die Sonne wurde zur Auberge de Temple.
Die Kunst des Genießens
Ein weiterer Pluspunkt bei diesem Projekt: De Temple ist passionierter Kunstsammler und an den Wänden seiner Auberge konnte er nun endlich viele Werke zeigen, die bisher in seinem Archiv schlummerten. Das sorgt heute nicht nur für gute Atmosphäre, sondern ergänzt den kulinarischen Genuss um eine wichtige Komponente, macht ihn eigentlich erst vollkommen. So gibt es keine Wand im Haus, an der es nicht etwas zu bestaunen gibt. Das einzige, was in diesem ambitionierten Plan seinerzeit noch fehlte, war der passende Küchenchef. Ein Koch wie ein Künstler, der Tradition mit dem richtigen Gespür für Avantgarde ergänzen kann. Ein Gastgeber ohne große Geste, sondern mit dem richtigen Feinsinn für die besonderen Momente, die de Temple hier erschaffen wollte. Ein Helbig eben. Und der sagte nach kurzer Bedenkzeit und langen Gesprächen mit seiner Frau zu, denn die Argumente für einen Wechsel waren einfach unwiderstehlich. Neben der außergewöhnlich schönen Lage direkt gegenüber der barocken Kirche von Johannesberg wiegt auch die Nähe zur Mainmetropole schwer. Von Frankfurt aus ist der sportliche Autofahrer in knapp 30 Minuten hier, gemütliche Gemüter brauchen höchstens 45 Minuten und die Anfahrt über Hörstein ermöglicht auch noch wunderschöne Blicke über Streuobstwiesen und Wälder, während man vom gerade mal vier Kilometer entfernten Aschaffenburg aus die Auberge in kürzester Zeit erreicht. Direkt hinter dem Haus erreicht man nach ein paar Häusern den Wald, davor gibt es Wanderwege über Wiesen mit Blick ins Tal und Abends kann man dann völlig ins Ambiente dieses außergewöhnlichen Hauses eintauchen.
Klassische Moderne
Für Helbig bedeutete diese Entwicklung ein stürmisches Jahr 2013: Die Küche und das Restaurant wurden knapp vor dem Besuch der Restauranttester der wichtigsten Gourmetführer fertig und was solche Auszeichnungen für einen Küchenchef bedeuten, muss an dieser Stelle nicht vertieft werden. Umso beeindruckender die Tatsache, dass Helbig sofort den ersten Michelin-Stern verliehen bekam, Platz eins der Regionalliste in RHEIN-MAIN GEHT AUS! 2014 erstürmte und auch von den anderen Restaurantführern ausgezeichnete Noten bekam. Die entsprechende Reaktion des Publikums blieb nicht aus und so hatte der sympathische Küchenchef gleich alle Hände voll zu tun, während die Bauarbeiten am Gelände immer noch fortschreiten. Die Zimmer sind unterdessen bezugsfertig und ein weiteres Highlight steht unmittelbar vor der Fertigstellung: Helbigs eigene kleine Kochschule, in der er auch die Gäste der Genussakademie begrüßen und sein kulinarisches Wissen weitergeben wird. Von hier aus geht es direkt ins Freie, wo gerade ein kleiner Kräutergarten angelegt wird – so sieht wohl das Paradies für kreative Köche aus. Der erste Blick auf Helbigs Karte vermittelt zunächst den Eindruck, als hätte man es mit französischer Hochküche zu tun. Und dieser Eindruck täuscht nicht, doch er ist nicht komplett. So gesellt sich zum Schaumsüppchen von Le Puy Linsen Harissa, wird die Fjord-Forelle mit Miso und schwarzer Knoblauchcreme verfeinert und wie virtuos der Küchenchef beim „Feintuning“ seiner Gerichte arbeitet, kann man nicht schreiben – das muss man erleben. Für die passende Weinbegleitung sorgt Helbigs Frau Nicole, deren brandneuer, wunderschöner Weinkeller neben zahlreichen europäischen Klassikern auch interessante Trouvaillen enthält, für die mancher Weinfreund schon angerufen haben soll, um diese käuflich zu erwerben. Keine Chance, die gibt es nur in der Auberge und die ist wirklich der richtige Platz, um beispielsweise große Weine der Domaine Trimbach aus Top-Jahrgängen zu genießen.
Frisch und schnell
Sterneküche ist neben hervorragendem Handwerk vor allem auf gute Produkte angewiesen und hier braucht es eigentlich keine normalen Händler, sondern vielmehr Vertrauensleute, die genau verstehen, was ein Koch benötigt, der zu den Sternen aufbrechen möchte. Wer könnte da besser sein, als ein ehemaliger Koch, der selbst bei den Besten am Herd gestanden hat? Grischa Euler war zu den großen Zeiten der Schweizer Stuben Teil des Küchenteams, bevor es ihn zu Varin nach Fuchsstadt verschlug. Den Gründer der Importfirma Monsieur Varin zog es vor langen Jahren aus amourösem Grunde in den kleinen Ort in der Nähe von Würzburg, doch wie konnte er seine Reisen zur Herzensdame finanzieren? Indem er Austern mitbrachte und diese gewinnbringend weiterverkaufte! Der Rest ist Geschichte, M. Varin sitzt unterdessen an der himmlischen Tafel und seine Nachfolger beliefern hauptsächlich die Münchner Spitzengastronomie mit Fisch und Geflügel von atemberaubender Qualität. Da ist Helbig im bayrischen Norden fast ein Ausreißer, doch der möchte keinesfalls auf Fisch von kleinen Booten verzichten, der höchstens 48 Stunden an Land verbracht hat, bevor er in seiner Pfanne landet. Euler hat aber auch gute Kontakte zu regionalen Erzeugern, die ihm etwa taufrische Forellen liefern, doch der Schwerpunkt liegt auf dem Heimatland des guten Geschmacks und so stammt neben Meeresfrüchten oder Täubchen auch der Rohmilchkäseteller hier von Varin.
Genussvolle Zukunft
Große Pläne braucht Helbig nicht, denn in der Auberge de Temple mit ihren wechselnden Ausstellungen und ihrem interessanten Publikum ergeben sich die spannenden Facetten und Projekte fast von selbst. Die Nähe zur Mainmetropole hat sich herumgesprochen und mit steigenden Temperaturen dürfte auch die Zahl derjenigen Genießer zunehmen, die in der Auberge de Temple genau jene perfekte Sehnsuchtsdestination erkennen, die Herr de Temple sich erträumt und in Johannesberg realisiert hat. Da heißt es schnell sein, und so konnte die Genussakademie rechtzeitig vor dem Ansturm der Gäste ein paar Genusswochenenden reservieren, an denen Helbig eine kleine Schar von Gästen in seine aromatische Kochkunst einweisen wird – natürlich mit Übernachtung in einem der traumhaft schönen Zimmer!
Kasten
Auberge de Temple, Hauptstraße 2, 63867 Johannesberg, Tel. 06021-4548300, www.auberge-de-temple.de, info@auberge-de-temple.de