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Beim Anblick des ultraschmalen Gebäudes muss man unwillkürlich an Harry Potter denken – die geheime Zentrale des „Orden des Phönix“ befand sich ja auch in einer Haushälfte, die sich erst auf Zuruf dem Auge offenbarte. Hier hilft kein Zuruf: Das Haus bleibt schmal, exakt ein Zimmer breit, auf der Querseite. Drinnen erreicht man entweder über ein enges Treppenhaus oder per Aufzug die derzeit zwei Etagen, auf denen sich Gastraum und Küche befinden. Inklusive dem Chef’s Table auf einem kleinen Balkon hinter der Küche kommt man so auf 14 Plätze, zu denen sich weitere 14 nach dem Ausbau einer weiteren Etage gesellen werden. Mehr können Hoffmann und sein Souschef im kleinen Reich der Köche dann auch kaum versorgen. Direkt unter dem Giebel wird es im Sommer oft brüllend heiß, der schnuckelige Molteni-Herd ruht selten während eines Arbeitstages, während man sich hier oben gemeinsam mit einer Auszubildenden zu dritt schon mal im Weg stehen kann. Trotzdem möchte Jan Hoffmann seinen Arbeitsplatz mit niemandem tauschen. „Ich habe offenbar alles richtig gemacht, dass ich hier kochen darf“, sagt der sympathische, zunächst etwas schüchtern wirkende Mann, der letztendlich seine Großmutter für seine Karriere verantwortlich macht.
Die machte mit dem kleinen Jan gemeinsam Kartoffelpuffer, bevor der nach dem Essen wieder raus auf den Bolzplatz rannte, um sich dort mit dem Großvater seinem Kindheitstraum vom Profifußballer wieder ein Stück näher zu kicken. Ein Match, das jedoch Oma gewann: Jan wollte so schnell wie möglich raus aus der Schule und Geld verdienen – da erschien der Beruf als Koch gar nicht so übel. Beide Eltern waren als Erzieher tätig und als diese eine gemeinsame Familienwohngruppe für verhaltensgestörte Kinder gründeten, lernte Jan schnell, mit dem täglichen Trubel und den hiermit einhergehenden Komplikationen zu leben. Kochen muss man mit Liebe und wie man die mit vollen Händen weitergibt, lernte der zukünftige Sternekoch früh. Dann ging es in die knallharte Ausbildung. „Erst das Schnitzel, dann der Hummer“ schrieb ihm der Großvater ins Stammbuch und so begann Hoffmann nach zwei kurzen Praktika seinen Weg im Restaurant Laubachsmühle in seiner Heimat Altenwied. Muttertag, 240 Essen zu dritt auf die Tische bringen, das grundsolide Handwerk. Weiter ging es zum Gut Burghof in Neuwied, bevor der Wehrdienst rief. Und der war so langweilig. Sogar in der Küche.
Endlich fertig, endlich weiter, diesmal direkt nach oben ins Restaurant Überfahrt am Tegernsee als Entremetier und Demi-Chef, wo Hoffmann erstmals die Luft der Haute Cuisine schnuppern konnte. Junge Köche träumen oft von der Arbeit auf Kreuzfahrtschiffen und verwechseln diese mit der großen, weiten Welt. Jan Hoffmann bereut seine Monate auf der MS Europa nicht, bekam hier aber auch erstmals seine körperlichen und psychischen Grenzen aufgezeigt. Nach einem halben Jahr ging er wieder an Land und ins Berliner Grand Hotel Adlon, wo man für die Bankettküche einen Commis suchte. Es dauerte nur ein paar Wochen, da wurde er schon zum Demi-Chef befördert, doch es sollte noch besser kommen: Sternekoch Thomas Neeser fragte ihn persönlich, ob er in sein Team einsteigen wolle. Eine große Ehre für den jungen Koch und so stand er die folgenden sechs Monate als Demi-Chef in der Küche des Lorenz Adlon. Dann wurde Hoffmann wieder unruhig und plante eigentlich, bei Wolfgang Becker in Trier anzuheuern. Aus reinem Übermut schickte er jedoch auch Juan Amador eine Bewerbung – und wurde genommen. Nun begann Hoffmanns wohl anstrengendste Zeit als Koch, denn die konzentrierte, ja krasse Atmosphäre in Amadors Restaurant brachte nicht nur ihn hier an den Rand seiner Möglichkeiten. Das Arbeitsklima passte einfach nicht und wo er sich heute mit seinen ehemaligen Mitstreitern bestens versteht, brannte damals die Luft. Ein guter Grund, nach Alternativen Ausschau zu halten.
Die lagen förmlich in der Luft, denn Matthias Schmidt war dringend auf der Suche nach kompetenten, kreativen Mitstreitern am Herd der Villa Merton und hatte bereits zwei Mal bei Jan Hoffmann angerufen – beim dritten Mal sagte der zu. 18 Monate hielt es ihn dann in der Villa. „Matthias war bis heute mein wichtigster Mentor, ich verdanke ihm sehr viel und sein Kochstil hat mich geprägt“, so Hoffmann, der nun den unbedingten Willen entwickelte, selbst Küchenchef zu werden. Die erste Gelegenheit bekam er im kleinen französischen Restaurant Chalet 18 in der Frankfurter Grempstraße, doch die Chemie zwischen dem Eigentümer und ihm stimmte nicht und so wechselte Hoffmann für kurze Zeit als Chef de Partie ins Restaurant Margarete. Eigentlich sollte er dann als Nachfolger von Farrokh Okhovat-Esfehani den Herd der Osteria Enoteca übernehmen, doch die schloss für immer ihre Türen. Also nahm Hoffmann die frei werdende Stelle im Riz an und lernte hier Marc Kaltwasser kennen. Fragt man Hoffmann nach wirklich engen Freunden, so fällt dessen Name als erster und so rockten die beiden über ein Jahr lang die Küche des kleinen Retro-Restaurants. Bis es mit dem Inhaber wieder mal kompliziert wurde und sich die Wege der Freunde zumindest am Herd trennten.
Nun begann der Zufall, die ihm zugedachte Rolle in der Karriere des Jan Hoffmann zu übernehmen. Der blätterte im Genussmagazin (nein, das steht hier nicht aus Gründen des Marketings!), las von den Kochkursen mit Kimberley Unser und war beeindruckt. Auf die Idee, sich auf deren Posten zu bewerben, wäre er nie von selbst gekommen, doch als er ein paar Tage später im Seven Swans gemeinsam mit Patrik Franz – einer der wichtigsten Lieferanten – am Tisch sitzt, offenbart ihm dieser, dass Kimberley Unser dringend nach einem passenden Nachfolger sucht, weil sie Nachwuchs erwartet. Ein kurzes Gespräch und Hoffmann war neuer Souschef und drei Monate später Küchenchef des Seven Swans. Statt in die Fußstapfen seiner Vorgängerin zu treten, machte er von Anfang an „sein Ding“. „Ich schaue nicht auf die Karten anderer Köche, sondern lasse mich eigentlich nur von den Produkten der Saison inspirieren, probiere etwas aus, bis es schließlich als Gericht funktioniert“.
Dabei kann er durchaus aus dem Vollen schöpfen: Inhaber Stehen Rothenberger hat vor den Toren Bad Homburgs ein paar Hektar Land mit diversen Gemüse- und Obstsorten bepflanzt, bewirtschaftet die Flächen nach strengsten biodynamischen Kriterien in Permakultur und versorgt „seinen“ Koch so mit bester Ware, die Hoffmann dann zu seinen Menüs inspiriert – in der warmen Jahreszeit taufrisch und im Winter als Eingemachtes. Doch manchmal sind es auch die ganz Kleinen, von denen er profitieren kann: “Steens Tochter hat im Sommer rohe Hirse mit Walderdbeeren, Himbeeren und Wasser gemischt und uns zum Probieren gegeben. Klar waren wir skeptisch, doch das schmeckte richtig gut und so haben wir die Idee in der Küche weiterverfolgt und schließlich ein Petit Four daraus entwickelt“. Die Stimmung ist familiär und das braucht der Familienmensch Hoffmann, um richtig aufzublühen. Dabei bezeichnet er sich selbst durchaus als Einzelkämpfer, doch es scheint eher, als wolle sich dieser junge Sternekoch einfach von niemandem in seine Arbeit hineinquatschen lassen. Das Ergebnis hat sogar die kritischen Tester des Guide Michelin überzeugt – Oma sei Dank!