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Zu Besuch beim Küchenchef
Dennis Maier und Sebastian Reiff
Foto: Dirk Ostermeier
Dirk Ostermeier
Nach Jahren des Stillstands herrscht im Hotel Kempinski Gravenbruch Aufbruchsstimmung, denn mit der gründlichen Renovierung des Hauses hat man sich auch kulinarisch neu aufgestellt. Und das sehr erfolgreich!

Man könnte „Das Kempi“, wie das Hotel liebevoll von den Frankfurtern genannt wird, durchaus mit einem Dornröschenschloss vergleichen. Allerdings lag hier keine hübsche Dame, sondern vielmehr das Haus selbst im Tiefschlaf und lockte mit seinem verbleichenden Charme der ausgehenden 70er Jahre zunehmend weniger Gäste. Früher gingen hier jene großen Stars ein und aus, die ungestört von ihren Fans in der City vor den Toren der Stadt eine ruhige Nacht verbringen wollten, doch das ist lang vorbei. Bevor sich endgültig der Schleier des Vergessens über das luxuriöse Hotel legte, übernahm ein neuer Investor das Ruder – seitdem weht hier ein derart frischer Wind über das gesamte Gelände, dass man seinen Augen kaum trauen möchte. Nicht nur die Zimmer wurden konsequent auf Stand des 21. Jahrhunderts gebracht sondern auch das komplette Gebäudeensemble inklusive Park und natürlich – die Gastronomie! Früher waren die Hotels der Kempinski-Gruppe immer auch interessante kulinarische Ziele und an diese Tradition will man erfolgreich anknüpfen.



Juan Amador und Dennis Maier



Berühmte Namenspaten ins Boot zu holen ist ein beliebtes Konzept, um ohne großen Aufwand verstaubten Ruhm aufzufrischen, doch beim im letzten Jahr eröffneten Konzeptrestaurant Sra Bua handelt es sich nicht etwa um Blendwerk voller heißer Luft, sondern vielmehr um ein Restaurant mit klaren Sterneambitionen. Juan Amador hatte die Aufgabe, die Höhe der Messlatte zu bestimmen, über die sein ehemaliger Chef de Partie Dennis Maier anschließend jeden Abend springen sollte. Der stammt zwar nicht aus einer Gastronomendynastie, doch wie so oft steckte auch hier die Großmutter den kleinen Dennis mit ihrer faszinierenden Kochkunst an. Im Technikunterricht war für den Jungen kein Blumentopf zu gewinnen, doch im Fach Hauswirtschaft gab es Bestnoten und als er schließlich mit 14 Jahren ein Praktikum in der Gastronomie absolvierte, war der Berufswunsch Koch bereits eine klare Sache. Nach Ausbildung und Zivildienst ging es zunächst durch diverse bodenständig orientierte Adressen, bevor Maier im Mannheimer Restaurant Da Gianni als Jungkoch erste Erfahrungen in der Sternegastronomie sammeln konnte. Ein ehemaliger Klassenkamerad warb ihn quasi auf der Straße für anderes Restaurant ab, wo es für Maier als Chef de Partie weiterging. Anschließend ging es für eine Saison nach Mallorca in den Yachtclub Cala d’Or, bevor der Ketschauer Hof einen neuen Souschef suchte. Ein Angebot, das Maier einfach nicht ausschlagen konnte und so blieb er hier zwei volle Jahre. Nun begann ein interessantes Wechselspiel, denn Juan Amador lockte ihn erfolgreich in sein neues Mannheimer Restaurant und schwupp ging es ein Jahr später zurück in den Ketschauer Hof, wo ihn Amador wiederum nach einem Jahr abwerben konnte – diesmal als Küchenchef des Sra Bua im Hotel Kempinski Gravenbruch. Nun könnte man annehmen, Maier wäre so etwas wie ein Erfüllungsgehilfe für Juan Amadors Ideen, doch nichts weniger als das: Der Routinier mit den drei Sternen steht vielmehr dezent, beinahe schon väterlich hinter dem jungen und dynamischen Küchenchef, unterstützt behutsam, lässt aber alle Freiheiten, die Dennis Maier braucht, um sein eigenes Konzept zu entwickeln. Maier gehörte früher zur Sprayer-Szene, liebt somit grelle Farben und modernes Design und lässt seiner Kreativität auch auf dem Teller freien Lauf – bis hin zur Auswahl des Geschirrs, das den Ideen der Küche zu folgen hat. So findet man das Sra Bua bereits nach kurzer Zeit an der Spitze der Restaurants der Region und man darf gespannt sein, welche kulinarischen Überraschungen noch folgen werden. Während ich diese Zeilen schreibe, erscheint der erste Michelin-Stern über dem Sra Bua ... verdient!



Alles im Blick



Doch nicht jeder Gast eines Fünf Sterne-Hotels möchte innovative Sterneküche genießen und so bietet das Kempinski Gravenbruch mit seinem „Esszimmer“ ein Programm, das im Grunde den perfekten Kontrast zum Sra Bua darstellt. Allerdings ohne das Niveau zu senken, denn auch eine Scholle will auf den Punkt zubereitet werden. Hierfür ist Sebastian Reiff verantwortlich, der im Gespräch zunächst ganz unauffällig und bescheiden Stück für Stück die enorme Bandbreite seiner Aufgaben entfaltet: Er ist nicht nur Küchenchef des Esszimmers, sondern auch Executive Chef für das gesamte Hotel inklusive Sra Bua, so dass auch Dennis Maier nicht um ihn herumkommt. Kein Problem, denn die beiden harmonieren perfekt, doch einen solchen Betrieb immer komplett im Blick zu behalten will gelernt sein. Reiff’s Lehrmeister war Alfred Oebel, der ihm schon damals im Brunnenhof zu Aachen ins Stammbuch schrieb, dass ein Koch bis zum Alter von 30 Jahren reisen muss, um sich dann irgendwo niederzulassen. Gesagt, getan: Reiff heuerte zunächst auf einem amerikanischen Ozeanriesen an, der ihn beinahe einmal um die ganze Welt schipperte. Dann arbeitete er in den A la carte-Restaurants des Robinson-Clubs in verschiedenen Resorts als Demi Chef de Partie, um schließlich in Mexico den Posten des Küchenchefs und gleichzeitig die Position als F&B-Manager zu übernehmen – erstmals  hatte Reiff beide Fäden in der Hand und strickte aus ihnen erfolgreich sein kulinarisches Netzwerk. In dem verfing sich auch seine heutige Ehefrau, nach fünf Jahren schloss der Robinson-Club in Mexico und Familie Reiff wechselte nach Mallorca, wo nach kurzer Zeit der gemeinsame Sohn das Licht der Welt erblickte. Erfolg spricht sich herum und so klopfte die Gruppe der Oasis-Hotels an: 11 Hotels der Kategorie 4 und 5 Sterne, alle eng beieinander, eine Zentralküche mit 1800 Quadratmetern Fläche mit bis zu 300 Köchen sollte errichtet werden und man brauchte jemand, der die Gesamtverantwortung übernehmen sollte. Reiff war der richtige Mann und sorgte weitere fünf Jahre für perfekte Abläufe. Das Unternehmen wurde größer, expandierte in die Dominikanische Republik, 21 Hotels waren zu führen und Reiff ging – unterdessen zum Director of Food and Beverage aufgestiegen – mit, doch die politische Lage wurde angespannter und so suchte die junge Familie nach einem ruhigeren Hafen.



Zurück in der Zukunft



Reiff war bereits jenseits der 30 – höchste Zeit für die Rückkehr nach Deutschland. Er wollte wieder am Herd stehen, nicht irgendwo, sondern in einem guten Haus mit hohen Ansprüchen. Noch unter alter Leitung fand Reiff den Weg ins Kempinski Gravenbruch und das Traditionshaus so den idealen Mann, um den Übergang in eine neue Ära zu gestalten. Bei sämtlichen Planungsprozessen in Sachen Gastronomie ist Reiff als Executive Chef voll eingebunden und hinterlässt gleichsam jeden Abend im Esszimmer seine ganz persönliche Handschrift auf jedem Teller. Und nicht nur er: Die Mitglieder des Küchen- und Serviceteams haben ebenso Anteil an der Gestaltung der Karte. So ist das Rezept für „Annes Scholle“ auf die Serviceleiterin Anne Hielscher zurückzuführen, die zuvor eine solide Ausbildung am Herd absolvierte, bevor sie in den Servicebereich wechselte und viele weitere Ideen stammen von den engagierten Mitarbeitern. Im Esszimmer findet der Gast auf der Karte Gerichte wie Kalbsnierchen oder Sauerbraten, die beinahe schon in Vergessenheit geraten sind und nun wieder eine Art Renaissance erleben. Im Esszimmer natürlich mit dem Feinschliff eines Sebastian Reiff, der auch immer wieder gern seine südamerikanischen Impressionen einfließen lässt. Unterdessen ist er in Frankfurt angekommen, Skepsis gegenüber „Mainhattan“ hat sich in Begeisterung gewandelt, doch die Wohnung steht im beschaulichen Zellhausen, wo Reiff Ruhe und Erholung findet. Fragt man ihn nach seinen Träumen, so steht zunächst an erster Stelle, das Kempinski Gravenbruch wieder zur unangefochtenen Nummer eins in der Region zu machen. Was ihm zuzutrauen ist. Am Schluss blinkt doch noch die Idee vom eigenen Restaurant durch, aber der Sohn eines Mathematiklehrers hat die bodenständige Ader des Vaters geerbt und bezeichnet sich selbst als Sicherheitsfanatiker. Was ihm bei der Arbeit im Hotel Kempinski Gravenbruch zugute kommt: Hier gibt es jede Menge zu tun und es braucht einen kühlen Kopf, der da den Überblick behält. Maier und Reiff sind definitiv ein ideales Tandem, das noch durch das Küchenteam der rustikalen Torschenke mit seiner Lokalküche ergänzt wird. Dieses Hotel muss man nicht nur im Auge behalten, sondern ganz dringend besuchen. Die Lobby ist im Frühjahr fertig, der brandneue Spa-Bereich ebenfalls und alle drei Restaurants bieten jetzt schon das volle Programm. Übrigens auch tolle Kochkurse, die man im aktuellen Programm der Genussakademie findet und die genauso unkonventionell wie die Kochkunst von Dennis Maier sind!

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Weitere Informationen hier
 
29. Dezember 2015
Bastian Fiebig
 
 
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