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Brauereien in Hessen
Hopfen und Malz
Es muss nicht immer Riesling oder s‘ Stöffsche sein –
auch in puncto Braukunst hat Hessen einiges zu bieten.
Das Grundrezept ist denkbar simpel: Wasser, Malz, Hopfen und Hefe. Aus diesen vier Zutaten brauen deutschlandweit über 1500 Brauereien eine einzigartige Vielfalt von über 40 Biersorten vom klassischen Pils über hippes Helles bis zur urtypischen Gose, das Ganze verteilt auf gut 7000 Biermarken. Auch wenn Hessen mit aktuell rund 75 Brauereien weit hinter dem süddeutschen Nachbarn Bayern liegt, wo sich mit mehr als 600 Betrieben über 40 Prozent aller deutschen Brauereien tummeln, kann sich Hessen beim Thema Bier durchaus sehen lassen.
Über 800 Jahre Braukunst in Hessen
Das fängt schon bei der Geschichte an. So reichen die Wurzeln der ältesten Brauerei Hessens, das Hofbrauhaus Arolsen im nordhessischen Bad Arolsen wohl bis zu einer Klosterbrauerei aus dem 12. Jahrhundert zurück. Damals soll Gepa von Itter ihr strenges Fasten im Kloster Aroldessen mit hauseigenem „flüssigem Brot“ erträglich gemacht haben. Auch sonst braucht sich Hessen nicht zu verstecken, wenn es um die deutsche Vorzeigetradition geht. Zwar ist es schon eine ganze Weile her, aber Frankfurt war einst Standort einer der größten Brauereien Europas.
Das war Mitte des 20. Jahrhunderts. Ein abgerissenes und wieder aufgebautes Wahrzeichen der Stadt trägt bis heute den Namen der Brauerei, die nicht nur 1951 das erste Dosenbier der Nachkriegszeit auf den deutschen Markt brachte, sondern in den 1970er-Jahren sogar zur größten Einzelbrauerei der Nation avancierte: die Henninger Brauerei. Zusammen mit Binding stand Henninger bis in die 1990er-Jahre für regionale Braukultur mit nationaler Relevanz. Die nächstgrößere hessische Brauerei stammte mit der Licher Privatbrauerei Jhring-Melchior aus dem mittelhessischen Lich, gefolgt von den südhessischen Brauereien Pfungstädter und Schmucker. Hinzu kamen etliche kleinere Betriebe in allen Ecken des Bundeslandes.
©Glaabsbräu
Regionale Vielfalt trotz Brauereisterben
Seit den 1990er-Jahren ist viel passiert. Im Fahrwasser des bundesweit stetig sinkenden Bierverbrauchs – mit dem geringsten Absatz und Einbußen von über 74 Prozent seit 1993 markiert Hessen das Schlusslicht im Bundesvergleich –, hat sich die Brauereienlandschaft stark verändert: Während die einstigen Player, Henninger und Binding, mit der Standortaufgabe in Frankfurt zusehends in der Versenkung verschwinden und Pfungstädter zukünftig in Bayern braut, konnte sich aus Hessen nur Licher als deutschlandweite relevante Marke durchsetzen.
Seit 2020 hat sich die Gesamtlage verschlechtert. Laut Holger Eichele, Hauptgeschäftsführer des Deutschen Brauer-Bundes (DBB), sei die jüngste Entwicklung besorgniserregend: „Über viele Jahre war der Begriff Brauereisterben ausgestorben, nun erleben wir eine traurige Trendwende. Immer mehr Brauereien stehen massiv unter Druck – die Corona-Krise ging nahtlos in eine Energiepreiskrise über.“ In Hessen hat das seit 2019 bereits zehn Brauereien die Betriebsfähigkeit gekostet. Gleichzeitig hat sich Hessen seine regionale Vielfalt bewahrt. In dem Sinne, dass zeitgleich zu den sinkenden Absätzen die Anzahl an Brauereien bis 2020 stetig gestiegen ist, so dass Hessen (75 Brauereien) aktuell nach Bayern (624), Baden-Württemberg (212) und Nordrhein-Westfalen (148) einen soliden vierten Platz einnimmt.
Im Frankfurter naïv Bottle Shop bieten Sasch Euler und Christian Daam neben einer internationale Auswahl auch viele deutsche Craftbiere an. © Dirk Ostermeier
Kreative Biere statt Einheitssud
Grund dafür ist auch das erstarkende Feld junger Spezialitäten-Brauereien, die knapp die Hälfte der deutschen Betriebe ausmachen. Diese produzieren zwar insgesamt weniger, dafür aber spannendere Biere als manche Großbrauerei. Beispiele hierfür sind in Hessen etwa Faselbräu aus Mörfelden-Walldorf, DorfBräuHaus im osthessischen Landkreis Fulda oder Exoten wie Octobräu aus Lahnau bei Gießen, die in einem umgebauten Feuerwehr-Oldtimer mit mobilem Sudhaus brauen. Auf www.mikrobrauer.com findet sich eine interaktive Standortkarte aller hessischen Mikrobrauereien. Es sind aber nicht nur junge, wilde Mikrobrauereien, die für Vielfalt in hessischen Sudhäusern sorgen. Auch Traditionsbetriebe ändern ihre Konzepte. So zum Beispiel Glaabsbräu aus Seligenstadt. Die 1744 gegründete Brauerei hat die Zeichen der Zeit erkannt und vor bald zehn Jahren den gesamten Betrieb einmal auf links gedreht. Viel Staub, Schweiß und 3,2 Millionen Euro später werden in der 800 Quadratmeter großen Brauereihalle seit 2015 mit neuester Technik nicht nur altbewährte Klassiker, sondern auch prämierte Craft-Biere gebraut.
„Ohne diesen kreativen Neustart wären wir wohl nicht mehr am Markt“, zieht Braumeister Julian Menners Bilanz: „Es war einfach der richtige, wenn auch steinige Weg, alles zu hinterfragen. Robert Glaab hat das Risiko getragen, während wir unsere Kreativität und jugendlichen Leichtsinn einbringen durften.“ Das hat sich ausgezahlt. Zu seinem 280. Jubiläum sitzt der Traditionsbetrieb als regionale Branchengröße fest im Sattel. „Natürlich ist auch mal was schiefgegangen. Neuprodukte sind gefloppt, die Qualitäten haben geschwankt, dennoch konnten wir uns neu und transparent positionieren und unsere Produkte so gestalten, dass sie polarisierten“, fasst Menner zusammen und erklärt: „Das hört sich negativ an, zu polarisieren, es bedeutet für uns aber, dass wir zwar von manchen nicht gemocht werden, von anderen dafür umso mehr, und das ist in einem schrumpfenden Markt deutlich mehr wert, als gefällig und austauschbar zu sein.“
Braumeister Julian Menner führt persönlich durch das Sudhaus der Glaasbräu Brauerei in Seligenstadt. © Glaabsbräu
Brauhandwerk hautnah erleben
Wie andere hessische Brauereien lädt Glaabsbräu ein zum Blick hinter die Kulissen. Neben der Standardführung, zu der ein Stop im Brauereimuseum, Warenkunde und ein Besuch der Brauhalle inklusive Kostprobe gehören, bietet das abendfüllende Braumeister-Tasting das volle Programm: Menner führt persönlich durch die gesamte Anlage und erklärt die Details des Brauvorgangs. Nach einer Sensorik- Schulung werden gemeinsam acht bis zwölf Biere verkostet. Das Highlight jeder Führung, so Menner, sei aber das Zwickeln, also das direkte Verkosten aus den großen Lagertanks. „Wenn man vor so einem acht Meter hohen Tank steht, von dem man direkt zapfen und das frische Bier probieren kann, dann ist das ein sehr erhabener Moment.“ Wer nicht nur zuhören und verkosten, sondern selbst brauen möchte, kann einen ganztägigen Braukurs buchen. Weitere Infos und die besten Adressen in Hessen für Führungen nicht nur durch weitere Brauereien, sondern auch Brennereien, gibt es im aktuellen FREIZEIT IN HESSEN!
Das fängt schon bei der Geschichte an. So reichen die Wurzeln der ältesten Brauerei Hessens, das Hofbrauhaus Arolsen im nordhessischen Bad Arolsen wohl bis zu einer Klosterbrauerei aus dem 12. Jahrhundert zurück. Damals soll Gepa von Itter ihr strenges Fasten im Kloster Aroldessen mit hauseigenem „flüssigem Brot“ erträglich gemacht haben. Auch sonst braucht sich Hessen nicht zu verstecken, wenn es um die deutsche Vorzeigetradition geht. Zwar ist es schon eine ganze Weile her, aber Frankfurt war einst Standort einer der größten Brauereien Europas.
Das war Mitte des 20. Jahrhunderts. Ein abgerissenes und wieder aufgebautes Wahrzeichen der Stadt trägt bis heute den Namen der Brauerei, die nicht nur 1951 das erste Dosenbier der Nachkriegszeit auf den deutschen Markt brachte, sondern in den 1970er-Jahren sogar zur größten Einzelbrauerei der Nation avancierte: die Henninger Brauerei. Zusammen mit Binding stand Henninger bis in die 1990er-Jahre für regionale Braukultur mit nationaler Relevanz. Die nächstgrößere hessische Brauerei stammte mit der Licher Privatbrauerei Jhring-Melchior aus dem mittelhessischen Lich, gefolgt von den südhessischen Brauereien Pfungstädter und Schmucker. Hinzu kamen etliche kleinere Betriebe in allen Ecken des Bundeslandes.
©Glaabsbräu
Seit den 1990er-Jahren ist viel passiert. Im Fahrwasser des bundesweit stetig sinkenden Bierverbrauchs – mit dem geringsten Absatz und Einbußen von über 74 Prozent seit 1993 markiert Hessen das Schlusslicht im Bundesvergleich –, hat sich die Brauereienlandschaft stark verändert: Während die einstigen Player, Henninger und Binding, mit der Standortaufgabe in Frankfurt zusehends in der Versenkung verschwinden und Pfungstädter zukünftig in Bayern braut, konnte sich aus Hessen nur Licher als deutschlandweite relevante Marke durchsetzen.
Seit 2020 hat sich die Gesamtlage verschlechtert. Laut Holger Eichele, Hauptgeschäftsführer des Deutschen Brauer-Bundes (DBB), sei die jüngste Entwicklung besorgniserregend: „Über viele Jahre war der Begriff Brauereisterben ausgestorben, nun erleben wir eine traurige Trendwende. Immer mehr Brauereien stehen massiv unter Druck – die Corona-Krise ging nahtlos in eine Energiepreiskrise über.“ In Hessen hat das seit 2019 bereits zehn Brauereien die Betriebsfähigkeit gekostet. Gleichzeitig hat sich Hessen seine regionale Vielfalt bewahrt. In dem Sinne, dass zeitgleich zu den sinkenden Absätzen die Anzahl an Brauereien bis 2020 stetig gestiegen ist, so dass Hessen (75 Brauereien) aktuell nach Bayern (624), Baden-Württemberg (212) und Nordrhein-Westfalen (148) einen soliden vierten Platz einnimmt.
Im Frankfurter naïv Bottle Shop bieten Sasch Euler und Christian Daam neben einer internationale Auswahl auch viele deutsche Craftbiere an. © Dirk Ostermeier
Grund dafür ist auch das erstarkende Feld junger Spezialitäten-Brauereien, die knapp die Hälfte der deutschen Betriebe ausmachen. Diese produzieren zwar insgesamt weniger, dafür aber spannendere Biere als manche Großbrauerei. Beispiele hierfür sind in Hessen etwa Faselbräu aus Mörfelden-Walldorf, DorfBräuHaus im osthessischen Landkreis Fulda oder Exoten wie Octobräu aus Lahnau bei Gießen, die in einem umgebauten Feuerwehr-Oldtimer mit mobilem Sudhaus brauen. Auf www.mikrobrauer.com findet sich eine interaktive Standortkarte aller hessischen Mikrobrauereien. Es sind aber nicht nur junge, wilde Mikrobrauereien, die für Vielfalt in hessischen Sudhäusern sorgen. Auch Traditionsbetriebe ändern ihre Konzepte. So zum Beispiel Glaabsbräu aus Seligenstadt. Die 1744 gegründete Brauerei hat die Zeichen der Zeit erkannt und vor bald zehn Jahren den gesamten Betrieb einmal auf links gedreht. Viel Staub, Schweiß und 3,2 Millionen Euro später werden in der 800 Quadratmeter großen Brauereihalle seit 2015 mit neuester Technik nicht nur altbewährte Klassiker, sondern auch prämierte Craft-Biere gebraut.
„Ohne diesen kreativen Neustart wären wir wohl nicht mehr am Markt“, zieht Braumeister Julian Menners Bilanz: „Es war einfach der richtige, wenn auch steinige Weg, alles zu hinterfragen. Robert Glaab hat das Risiko getragen, während wir unsere Kreativität und jugendlichen Leichtsinn einbringen durften.“ Das hat sich ausgezahlt. Zu seinem 280. Jubiläum sitzt der Traditionsbetrieb als regionale Branchengröße fest im Sattel. „Natürlich ist auch mal was schiefgegangen. Neuprodukte sind gefloppt, die Qualitäten haben geschwankt, dennoch konnten wir uns neu und transparent positionieren und unsere Produkte so gestalten, dass sie polarisierten“, fasst Menner zusammen und erklärt: „Das hört sich negativ an, zu polarisieren, es bedeutet für uns aber, dass wir zwar von manchen nicht gemocht werden, von anderen dafür umso mehr, und das ist in einem schrumpfenden Markt deutlich mehr wert, als gefällig und austauschbar zu sein.“
Braumeister Julian Menner führt persönlich durch das Sudhaus der Glaasbräu Brauerei in Seligenstadt. © Glaabsbräu
Wie andere hessische Brauereien lädt Glaabsbräu ein zum Blick hinter die Kulissen. Neben der Standardführung, zu der ein Stop im Brauereimuseum, Warenkunde und ein Besuch der Brauhalle inklusive Kostprobe gehören, bietet das abendfüllende Braumeister-Tasting das volle Programm: Menner führt persönlich durch die gesamte Anlage und erklärt die Details des Brauvorgangs. Nach einer Sensorik- Schulung werden gemeinsam acht bis zwölf Biere verkostet. Das Highlight jeder Führung, so Menner, sei aber das Zwickeln, also das direkte Verkosten aus den großen Lagertanks. „Wenn man vor so einem acht Meter hohen Tank steht, von dem man direkt zapfen und das frische Bier probieren kann, dann ist das ein sehr erhabener Moment.“ Wer nicht nur zuhören und verkosten, sondern selbst brauen möchte, kann einen ganztägigen Braukurs buchen. Weitere Infos und die besten Adressen in Hessen für Führungen nicht nur durch weitere Brauereien, sondern auch Brennereien, gibt es im aktuellen FREIZEIT IN HESSEN!
13. August 2024, 10.00 Uhr
Sebastian Schellhaas
Sebastian Ruben Schellhaas
Jahrgang 1984, studierte Philosophie und Ethnologie an der Goethe Universität Frankfurt, seit 2020 beim JOURNAL FRANKFURT Mehr von Sebastian Ruben
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